Von Kirkenes nach Kemi
 
Auf Rollski durch Lappland
 
 
Entstehung
 
Viele haben mich gefragt, wie man auf eine solche Idee kommen kann. Ganz einfach.
Beim Training zwischen Gucken, Unzhurst, Zell, Breithurst und Vimbuch. Viel Zeit zum Grübeln.
Da ich von früheren Reisen wusste, wie schön es in Lappland zum Ruska ist
und wie leer die Straßen sind, kam mir die Idee, mal anders zu Reisen.
Wandern braucht mehr Zeit und Radfahren geht zu schnell. Rollski waren also prädestiniert
und der sportliche Aspekt für Hyperaktiv Reiner geradezu verlockend.
Also ab nach Hause, Karten raus und Messen. B 2 B war geboren.
Vorbereitung
 
Start in Kirkenes und Ziel in Kemi standen schnell fest. Die zwei Meere miteinander zu verbinden
fand ich interessant. Problem war das Festlegen der Etappen.
Ich hatte keine Idee, wieviel Kilometer ich täglich laufen kann und wie ich dafür traineren soll.
Ein Trip nach Paris mit Andrea und Axel war die Gelegenheit, den Marathonläufer zu konsultieren.
Die Tipps hab ich dann noch mit Karsten (noch ein Marathonläufer) abgeglichen.
Herausgekommen sind dabei Tagesetappen von ca. 60 Km. Das sollte möglich sein und bedeutete 11
Etappen für die gesamte Strecke. Für den Rucksack veranschlagte ich ein Höchstgewicht von 10 Kilo.
 
 
            Kirkenes                         Partakko                                    Saariselkä                              Sodankylä                            Rovaniemi                 Kemi
 
 
Eine Herberge, ca. alle 60 Km auf dem Weg galt es nun zu finden. Es war nicht daran zu denken
im Freien zu schlafen und selbst zu kochen. Nach solchen Etappen brauchte ich ein Bett
und ein ordentliches Essen, zumal ich von einem hohen Kalorienverbrauch ausgehen musste.
Im Rucksack war nur Platz für das allernötigste und die Tagesration.
Eine spezielle Karte von Lappland und Google Maps (Street View !!!) waren eine gute Hilfe.
Es folgten viele Mails und Telefonate mit den ermittelten Unterkünften und Ville, der Freund von Kai
aus Finnland verhalf mir dann zu den letzten beiden Schlafplätzen.
 
Für An- und Abreise hatte ich Fliegen vorgesehen und die Tickets von FKB nach BER, OSL, KRK
und KEM nach HEL, BER und zurück nach FKB waren mit 310 € sogar erschwinglich.
 
Das Training begann ein Jahr vor der Abreise. Ich setzte mir eine Laufstrecke von ca. 25 KM
zusammen. Die Daten des GPS-Trackers wurden fein säuberlich tabellarisch erfasst.
Das half mir auch beim Ermitteln des Verschleißes des Materials und ich konnte kalkulieren,
was ich an Ersatzteilen mitzunehmen hatte.
Die Ernährung war ein Problem, da ich eigentlich trotz Training nicht an Gewicht verlieren wollte.
Das pegelte sich aber im Laufe der Zeit ein.
 
Beim Rucksack entschied ich mich für die Damenvariante. Weil ich bei der Tour permanent mit den
Armen arbeiten musste, erwies sich das Trägersystem für Frauen als ergonomisch wesentlich besser
geeignet. Das konnte ich im Training schon feststellen, da das Trekkinghaus in Bühl so freundlich war,
mir Rucksäcke zum Testen zu leihen und mir auch noch einige Tipps zu Tragesystemen und Belüftung gab. THX ;-)
 
Die Rollski sollten von Marwe sein. Skate 590 CAP mit SNS Bindung und Marwe Rad Skate 590
min. Rollwiderstand. Dazu Salomon Escape 5 TR Classic Schuhe und ONEWAY Diamond 930 Stöcke.
Diese Kombination sollte mir das Skaten über lange Strecken ermöglichen aber auch stabil sein beim
Klassischen Laufen bei langen Anstiegen und Abfahrten.
Die Reise
 
Angereist bin ich also mit dem Flugzeug von Baden-Baden aus via Berlin nach Oslo, wo ich zunächst
übernachtet habe. In Baden-Baden hat mir die Airberlin erstmal 100 € abgeknöpft, weil ich ein
Gepäckstück mehr dabei hatte, als angegeben. Insgesamt hatte ich 14 Kilo dabei aber eben auf drei
Stücke verteilt. Das Ticket lautete zwar auf Baden-Baden – Oslo, da aber in Berlin zwischengelandet
wurde, waren das zwei Flüge, mal 50 €, macht halt Hundert. Ich hab die Kollegin gefragt, ob man sich
mit dem Gepäckhandel selbständig machen kann. Fand sie nicht lustig und ich lerne Lesen.
Das Umsteigen in Berlin war richtig knapp und das Flughafenpersonal hatte wohl seinen Spaß damit.
Imma langsam jute Frau. Det Fluchzeuch watet schon uff se. Wat ham sen da inne Hosntasche?
Klappe halten, rein in die Mühle und ab in die Nacht nach Oslo.
Am nächsten Morgen ging es per Inlandflug weiter nach Kirkenes.
 
 
Die Etappen
 
Kirkenes - Neiden Fjellstue
Beim Überfliegen von Lappland kamen mir kurz Zweifel, ob das gut geht. Diese Weite und Einsamkeit.
Aber die Spannung und Freude kamen beim Landeanflug auf Kirkenes wieder, zumal ich von oben
sehen konnte, wie weit die Natur schon mitten im Ruska stand. Diese Farben waren beeindruckend.
Glück gehabt mit der Wahl des Zeitpunkts. In den Jahren zuvor kam der Herbst 3-4 Wochen später.
       
In Kirkenes sind bei der Ankunft gegen 11:30 Uhr 20 °C und das stimmt mich bedenklich.
Wir (ich und 15 weitere Hanseln) steigen aus und ehe ich mich umsehen kann, bin ich der Einzige am
Flughafen. Alle schon weg und es herrscht merkwürdige Stille. Reiner, denk ich, es wird in den
nächsten Tagen noch stiller um dich. Also hol dein Gepäck und schreib nach Hause, dass du da bist.
Vor dem Flughafengebäude hab ich auf einer Bank meine Sachen verteilt.
Nun hieß es Umziehen, alles im Rucksack verstauen und auf den Weg machen. 40 Km lagen vor mir.
Die Sonne verschwand hinter Wolken und die Temperatur wurde erträglicher. Der Asphalt ist rauh und
die Gegend bergig. Nach dem ersten Anstieg folgt eine Abfahrt, die ich zur Hälfte unterschätze.
Das zusätzliche Gewicht des Rucksacks lässt mich Fahrt aufnehmen und ich kann trotz Schneepflug
und doppeltem Stockeinsatz keine Geschwindigkeit rausnehmen. Es kommt eine Kurve und von vorn
und hinten ein Auto. Beide halten sofort an als sie mich da kämpfen sehen und ich komme kurz vor
der Leitplanke zum Stehen. Applaus der Zuschauer lässt mich aufatmen. Sie hupen, winken und sind
weg, bevor ich mich bedanken kann. Ich habe den Wink verstanden und gelernt und weiter geht es
immer am schönen Munkefjörd entlang. Perkele, war das knapp.
         
Von einer Bergkuppe her beobachten mich zwei Rentiere misstrauisch. Was tut der da?
Die Sonne sinkt kontinuierlich und bis zum Abzweig in Neiden begegnen mir noch zwei Autos und ein
Radwanderer. Wir grüßen uns nur kurz – er scheint es eilig zu haben und radelt weiter gen Westen,
während ich nun Richtung Neiden Fjellstue laufe. Ab hier ist die Straße nur noch einspurig.
Ich muss mich beim Fotografieren zurückhalten und daran denken, dass ich zur Unterkunft komme.
Gegen 17 Uhr bin ich da und werde schon erwartet.
Das ging eigentlich recht gut. Ich bin zwar wegen der Berg- und Talfahrt ausgepowert, habe aber ein
gutes Gefühl.
Mir wird eine Hütte geöffnet und ich soll bald Essen kommen, da noch eine Gruppe Hurtigrutenfahrer
aus Kirkenes zum kulturellen Abend erwartet wird. Eine schöne Nebeneinnahme, da die Saison erst
im Juni wieder beginnt.
Ich geh Duschen, wasche schnell meine Socken und die Unterwäsche, damit alles Zeit zum Trocknen
hat und bekomme von Bjørg ein leckeres reichliches Abendessen inkl. Lapin Kulta.
Da ich morgen zeitig weiter möchte, vor 10 Uhr aber hier niemand anfängt zu arbeiten (ich bin ja der
einzige Gast), will man mir nachher ein Frühstückstablett bringen. Das kommt gegen 22 Uhr in meiner
ersten Tiefschlafphase. Das Klopfen hab ich von ganz weit her wargenommen. Reichlich leckere
Sachen auf dem Brett.
Danke, gute Nacht, schönen Feierabend, sorry wegen des Lärms (welcher?) und gute Reise morgen.
Total nette Leute und sehr schöne Hütten. Neiden Fjellstue kann ich schonmal empfehlen.
               
 
Neiden Fjellstue - Sevettijärvi Nili Tuvat
Um 6 Uhr ist die Nacht vorbei. Katzenwäsche, Frühstück, Sachen einpacken und Grüße auf einen
Zettel an die netten Betreiber, geht es gegen 7:30 Uhr weiter.
In der Nacht hat es angefangen zu Regnen, der Wind kommt von der Seite und der Asphalt ist
immernoch sehr schlecht. Es ist 12 Grad warm es geht weiter bergauf, bis ich das Zollgebäude vor der
norwegisch-finnischen Grenze erreiche. Von hier aus ist die Fahrbahn eben aber der Regen nervt und
nach wenigen Kilometern passiere ich die Grenze und bin nun in Finnland.
Die Landschaft hier oben ist trotz des Regens traumhaft und ich fotografiere wieder sehr viel.
Der DSV war offensichtlich auch in der Nähe.
         
Mittags kommt mir ein Laster entgegen. Obwohl ich die schmale Fahrbahn verlasse,
bekomme ich die volle Gischt ab. Das wird heute wohl der Vollwaschgang.
Gegen 15:30 Uhr erreiche ich ziemlich erschöpft das Ziel. Mittlerweile scheint zwar die Sonne aber es
ist niemand da. Ich rufe bei Anni an, die in ca. einer Viertelstunde kommen will. Als ich mich auf die
Treppe vor der Hütte setze, fangen meine Füße an zu zittern und das setzt sich immer mehr fort, bis
es den ganzen Körper erfasst hat. Als ich mich gerade hinlege, kommt Anni. Sie bringt mir Wasser
und ich trinke, was reingeht. Nach einer halben Stunde ist wieder alles in Ordnung. Perkele, was war
das denn? Ich muss mich anders ernähren und nur Wasser geht auch nicht.
Tini rät mir, ein Glas Salzwasser zu trinken oder einen Löffel Salz mehr an die Suppe zu tun
und isotonische Getränke müssen her aber woher nehmen?
Leider unterbreitet Anni mir, dass ich mich selbst verpflegen muss. Abgesprochen war es aber anders.
Ich könne ja 7 Km zurückfahren und im Iltako-Palvelu Oy essen. Ein Fahrzeug hat sie auch nicht.
Da ich auf dem Weg gesehen habe, dass da auch Hütten waren, frage ich sie, ob mich da jemand
hinfahren kann. Es kommt ein Bekannter von ihr, der mich dorthin bringt und ich bekomme eine tolle
Hütte am See. Abends gibt es leckere Rentiersuppe, dazu knuspriges Brot mit Butter. Nach dem 2.
Lapin Kulta war die Welt auch wieder in Ordnung und ich war für den anstrengenden Tag entschädigt.
In dem kleinen Shop (drei kleine Regale) bekomme ich auch Obst, Riegel und Isodrinks. Gerettet !!!
Sevettijärvi Nili Tuvat - Partakko
Frühstück muss ich mir heute wieder selbst machen, da der Laden erst um 9 Uhr öffnet.
Versorgt hat mich die Vermieterin noch gestern Abend mit Brot, Butter,Wurst, Ei und Tee.
Gegen 7:30 Uhr bin ich auf der Sevettijärventie unterwegs. Sie ist vom Regen der Nacht nass und
ich frage mich, ob ich hätte Regenreifen oder Intermediate aufziehen sollen. Aquaplaning, wieder.
Dafür sind die Temperaturen mit 5 Grad endlich angenehmer. Das kommt mir auf meiner ersten
langen Etappe entgegen. Die 40 Km - Etappen bin ich bisher durchgelaufen, abgesehen von den
Stopps beim Fotografieren und Genießen der Landschaft. Es gibt keine Gelegenheit, im Laufe des
Tages irgendwo Nahrung zu fassen. Jetzt auf der 60-er muss ich mir die Strecke einteilen und Pausen
machen. Dafür habe ich mich mit Wasser, Mars, Snickers und Bananen eingedeckt. Die Pausen sind
nach drei, fünf und sechs Stunden.
Die Straße ist auf dem Abschnitt schon wesentlich besser und ich mache richtig Fahrt. Das akustische
Warnsignal am GPS habe ich auf 15 Km/H eingestellt, damit ich immermal erinnert werde, mich nicht
zu sehr zu verausgaben. Das Gepiepe nervt nun, da es viel bergab geht und ich verlege die Pausen.
Gegen 10 Uhr fängt es wieder an zu Regnen. Nach einer halben Stunde ist es aber wieder vorbei und
ab nun scheint nur noch die Sonne. Es sind schnell 17 °C erreicht und ich gerate ins Schwitzen.
Die Landschaft ist auch wieder traumhaft und extrem viele Rentiere halten mich ständig auf.
      
In der Stille und Einsamkeit fange ich an, mich mit den Vögeln und Rentieren zu unterhalten.
Trotz der vielen Fotografiererei bin ich gegen 14:30 Uhr am Etappenziel Matkapaikka Jounila.
Eine schöne Anlage im Wald am Wasser aber niemand da. Ich rufe bei Tarja an und erfahre, dass sie
krank ist und leider nicht kommen kann. Sie hat mir den Schlüssel hinterlegt und Hütte und Sauna
sind vorgeheizt. Der Hausmeister wird in 10-20 Minuten vorbeikommen und mich einweisen.
Er kommt mit drei weiteren Leuten (Lachsangler) und sagt, dass ich aber nichts zu Essen bekommen
kann, da Tarja ja leider krank ist.
Da ich von meiner Planugsphase nocht wusste, dass es in Kaamanen an der Kaamasentie noch eine
Unterkunft mit Restaurantbetrieb gibt, fragte ich ihn, ob er sagen kann, ob dort geöffnet ist. Einer der
drei Angler kannte es von einer früheren Reise. Er rief bei seiner Frau an, um die Telefonnummer zu
bekommen und fragte dann für mich dort nach. Sie würden mir eine Hütte zurechtmachen, für 15€ und
Kari bot an, mich hinzufahren.
Ich rief also nochmal bei Tarja an, um das zu klären. Sie hatte natürlich Verständnis. Ich bedankte
mich und wünschte ihr gute Besserung.
Meine Sachen waren schnell im Lieferwagen verstaut und Kari nahm noch drei leere Kanister mit, um
Sprit für die Boote zu kaufen und los ging es. Unterwegs sahen wir am Straßenrand mehrere
Fahrzeuge stehen. Nationalparkwächter und Polizei waren sehr emsig. Kari erzählte mir, dass sie den
Bären nun endlich erlegt hatten. Er sah mir wohl an, dass ich ihm nicht glaubte und berichtete mir.
Der Bär war wohl öfter in der Nähe von Siedlungen gesichtet worden und hatte auch schon das ein
oder andere Schaf gerissen. Deshalb wurden Jäger auf ihn angesetzt, die ihn nach einer guten
Woche endlich erlegen konnten. Ich sollte mir keine Sorgen machen, da das die absolute Ausnahme
sei. Solange ich auf der Straße bleibe und gelegentlich etwas Lärm mache, passiert mir nichts. Toll.
Eine halbe Stunde später kamen wir beim Kaamasen Kievari an. Ich bekam wieder eine tolle Hütte mit
Abendessen und diesmal auch Frühstück.
Nachdem ich mich bei Kari bedankt hatte, bezog ich mein Domizil. Nach dem täglichen Waschen von
Socken und Unterwäsche ging ich selbst unter die Dusche und schlief anschließend 2 Stunden wie
ein Murmeltier. Vor dem Abendessen hab ich noch den angeschlossenen Shop durchstöbert und
Lebensmittel für die nächste Etappe und Postkarten gekauft. Die Karten konnte ich nach dem Essen
in Ruhe schreiben und gleich der Chefin geben. Noch ein 4. Lapin Kulta und gegen 23 Uhr in die Koje.
 
 
Kaamanen - Inari
Als ich gegen 8 Uhr zum Frühstück im Restaurant erscheine, komme ich aus dem Staunen nicht raus.
Obwohl ich der einzige Gast bin, hat man mir ein riesen Büffet aufgebaut. Kaamasen Kievari, irre.
Gegen 9:30 Uhr bin ich auf der Kaamasentie und somit auf einer Europastraße. Sie ist breit und eben
und ich kann mir immernoch aussuchen, wo ich fahre, da ich ein kommendes Fahrzeug bei der Stille
lange vorher höre und mich dann einrichten kann. Die Sonne scheint bei 4 Grad und selten begegnet
mir ein Auto. Traumhafte Bedingungen und ich mache gut Fahrt.
Ein Mann vom Straßendienst ist damit beschäftigt, die Markierungs-Stangen für den Winterdienst am
Straßenrand aufzustellen. Seinen Bericht, dass 100 Km weiter nördlich der Winter Einzug gehalten hat
bestätigt mir zwei Stunden später Birka. Sie betreibt am Wegesrand einen Sami-Shop und meint, dass
sie nur noch eine Woche öffnet. Der Winter kommt in diesem Jahr sehr zeitig.
     
Wir schnattern, da fährt ein Auto mit zwei schwedischen Touristinnen auf den Platz. Inga und Frida
sind so um die 60 und auf dem Heimweg. Sie wollen noch ein Paar Rentierfelle mitnehmen.
Als sie mich sehen, wollen sie wissen, was ich da an den Füßen habe. Ich erzähl ihnen von meiner
Tour und sie sind begeistert. Wir fachsimpeln über Ruska und Polarlichter und vielleicht trifft man sich
ja mal wieder. Wir machen uns auf nach Süden. Sie und ich auf 4 Rädern. Birka bleibt noch.
Auf meinem Weg nach Inari kommt mir mal wieder ein Bus der Eskelisen Lapin Linjat entgegen. Die
fahren täglich die Strecke auf und ab, die ich mir auch vorgenommen habe. Der Fahrer macht Licht-
hupe und er und seine Begleiterin und einige Passagiere winken. In Inari im Hotel angekommen sagt
die junge Frau an der Rezeption: “Ah, da sind sie ja.“ Sie erzählt mir von ihrem Schwager, einem
Busfahrer .....Da war mir einiges klar. In den Bussen hieß es wohl immer: „Und da kommt er wieder!“
Da ich sehr zeitig in Inari war, hab ich schnell die Wäsche erledigt, etwas gegessen und mir dann das
Sami-Museum angesehen. Sehr lohnenswert und echt zu empfehlen.
Abends gab es dann eines der leckersten Fischgerichte, das ich je gegessen habe mit Seeblick.
Der Iari ist schon beeindruckend.
           
Mit Ende dieser Etappe habe ich aber auch die echte Wildnis Lapplands verlassen und werde von hier
ab nun wieder öfter Menschen, Ortschaften und Autos begegnen. Die Nahrungssuche wird leichter.
 
 
Inari - Saariselka
Die Kellnerin sagte mir am Vorabend, dass es ab 7 Uhr Früstück gibt. Zwei vor 7 geh ich die Treppe
runter und als ich die Tür zum Gastraum öffne trifft mich der Schlag. Eine Schlange von Rentnern am
Buffet. Deshalb war damals bei der Buchung nur das eine Zimmer frei. Und ich habe heute fast 80 Km
vor mir und wollte zeitig los. Nun hatte ich erstmal Zeit.
Gestartet bin ich dann bei Null Grad und auf der Straße war noch Reif. Mit dem Steigen der Sonne
wurde die Straße trocken und das Wetter super. Die Temperatur pegelte sich bei 3 Grad ein und bei
ebener Fahrbahn waren 35 Km schnell runtergespult. Dennoch musste ich heute die ersten Stock-
spitzen wechseln. An einem Rastplatz traf ich auf einen Wanderer, der mir dabei half.
Kurzer Schnack und weiter. Er nach Norden und ich nicht.
Bei Ungefähr 50 Km kommt ein Tiefpunkt. Ich muss mich ausruhen und motivieren.
Die Psyche ist schneller als die Physis aber die Pause hilft.
Am Nachmittag überholt mich ein Lieferwagen und hupt. Nach ca. 500 Metern wendet er und fährt
rückwärts in eine Einbuchtung. Mit der Nase zur Straße bleibt er mit laufendem Motor stehen. Ich
weiß nicht was ich davon zu halten habe. Vorsichtshalber tausche ich die Stöcke gegen die ohne
Teller und laufe weiter. Spannend. Auf Höhe des Fahrzeugs erkenne ich Kari. Er steigt aus und wir
umarmen uns wie alte Freunde. Sein Urlaub ist zu Ende und er fährt nach Helsinki zurück. Ob ich bis
Saariselka mitfahren will, fragt er mich doch tatsächlich. Die Antwort kennt er ja. Noch 20 Km, pah.
Hätte ich gewusst, dass es noch fast 30 Km sind und davon ca. 10 bergauf, wäre ich vielleicht
schwach geworden.
  
Stattdessen habe ich soviel fotografiert und gefilmt (Rentiere) und dabei die Zeit vergessen,
dass es bei meiner Ankunft schon dunkel wurde und ich vor Erschöpfung anfing zu frieren.
Mittlerweile waren es auch schon -3 °C und das GPS zeigte 77 Km an.
Von Passanten wollte ich erfragen, wo sich das Guesthouse befindet.
Das „Njet“ gab mir zu denken und als auf mein „Wui snajetje“ wieder nur ein „Njet“ kam, gab ich auf.
Die Unterkunft hatte Heizung. Essen musste ich außerhalb. Wäsche ja, Duschen nein. Hundemüde...
 
 
Saariselka - Kiveliön Kala
Weil ich gestern keinen Proviant mehr für die heutige Etappe besorgen konnte, habe ich länger
geschlafen, da die Geschäfte erst um 9 Uhr öffnen. Mit reichlich Nahrung mach ich mich bei ca. 3 °C
auf den Weg. Der starke Wind aus Norden bringt zum Glück noch Regen mit und keinen Schnee.
Außerdem schiebt er gut, sodass mich das Aquaplaning nicht allzu sehr behindert, weil ich beim
Skaten nicht so viel Druck ausüben muss. Außerdem ist der Streckenverlauf meist bergab und eben.
Gegen Mittag hab ich Glück und kann sogar zum Essen einkehren. Rentiereintopf mit Brot und Butter.
Als ich raus komme, ist der Regen auch vorbei. Es läuft fast zu gut.
Ich roll mit wenig Stockeinsatz vor mich hin, da kommt von hinten ein Auto langsam angefahren.
Es fährt an mir vorbei und hält nach ca. einem halben Km an. Der Fahrer steigt aus und filmt mich, wie
ich ihm entgegen komme.
Am Nachmittag zieht Nebel auf und es wird merklich kühler. Gegen 18 Uhr erreiche ich Kiveliön Kala.
Einige kleine Hütten, romantisch gelegen an einem Lachsfluss und ein Hauptgebäude mit Servicetrakt.
   
Martti erwartet mich und begrüßt mich mit einem Kaffee und Keksen. Da er um 20 Uhr schließen will,
beeile ich mich mit dem Wäschewaschen und werde nachher zum Duschen gehen. Er bereitet in der
Zeit ein leckeres Abendessen zu. Es gibt frischen gebratenen Lachs mit Gemüse und Kartoffeln. Eine
riesige Portion. Im Fernseher auf dem Schrank seh ich die Wiederholung des F1 GP von Italien.
Wir schnattern noch bei einem Bier über Gott und die Welt und dann fährt er nach Hause.
Um 7 Uhr kann ich morgen zum Frühstück kommen meint er noch.
Als ich zum Duschen gehe, ist es schon dunkel und Reif auf dem Gras. Weil ich keine Heizung habe,
geht die Körperpflege schnell und zum Schlafen nehme ich mir eine zweite Decke. Es herrscht totale
Stille und Dunkelheit ich schlafe wie ein Murmeltier. Ach ja, Bergfest.
 
 
Kiveliön Kala - Sodankylä
Martti ist schon sehr beschäftigt als ich morgens wieder zeitig auf der Matte stehe. Der erste finnische
Frühaufsteher, dem ich begegne. Den Kaffee stellt er mir ungefragt auf den Tisch und bedeutet mir,
mich zu setzen. Er verschwindet in der Kochnische und wir unterhalten uns mehr rufend durch die Wand.
Zehn Minuten später steht vor mir ein großer Teller mit Spiegeleiern, gebratenem Lachs, Gemüse und
Obst und Brot. Dazu ein großer Orangensaft. Das werde ich brauchen meint er. Er erzählt mir, dass er
weiß wovon er redet. Die Strecke wird schwierig. Und er hat einen brühmten Bruder. Ich hatte mich
gestern schon über die vielen Bilder von Ringern an den Wänden gewundert. Sein Bruder ist nämlich
Pertti Ukkola, Olympiasieger im Ringen von 1976 im griechisch-römischen Stil (Bantamgewicht).
Martti grinst und mahnt mich alles aufzuessen. Er sollte Recht behalten.
Mit -3 °C und klarem Himmel entwickelt sich das Wetter traumhaft. Die Strecke hat es aber heute echt
in sich. Der Asphalt ist total porös und an der Oberfläche voller kleiner Steine. Dadurch bekommen die
Stöcke entweder keinen Halt oder bleiben in den Lücken hängen. Der ganze Druck verpufft entweder
oder es reißt mir die Stöcke fast aus den Händen. Dazu die starken Vibrationen von den Rädern her.
Schlimmer geht wohl nicht. Aber viele Rentiere waren zu sehen.
    
Mittags höre ich weit entfernt im Wald Hundegebell. Da wohnt wohl jemand denk ich so und muss
feststellen, dass es langsam immer lauter wird. Ich leg sicherheitshalber etwas zu aber nach ein paar
Minuten kommt ein junger Schäferhund aus dem Wald und läuft mir kläffend ein Stück nach. Da er
Abstand hält, bin ich beruhigt und bald kehrt er auch um. Gut gegangen.
Für die ca. 70 Km werde ich heute mit einem kompfortablen Hotelzimmer entschädigt. Ich lass es mir
gut gehen und wechsle vor dem Schlafengehen noch die Räder. Ich habs mir verdient.
Landschaftlich war es aber der schönste Abschnitt und ich habe sehr viel fotografiert.
    
 
Sodankylä - Käyrämön Kaidas
Auf diese Etappe freue ich mich, seit ich die Strecke plane. Ich kenne die Ecke hier ja von früheren
Touren und da wird es heute etwas besonderes geben.
Zunächst regnet es mal wieder als ich mich auf den Weg mache. Egal, bin ja nicht zum sightseeing
hier. Will ja kämpfen und mich verspotten lassen und nach 5 Km hört es ja auch schon auf.
Aber die Fahrbahn, die ist heute schon ganz besonders. Ich hab bis jetzt ja viel erlebt. Das hier ist
jedoch ein Erlebnis. Herrlich ebener griffiger Asphalt. Es könnte rollen wie Hanne, wenn da nicht die
seitliche Neigung von links nach rechts wäre. Klar läuft da das Regenwasser prima ab. Ich werde aber
für viele viele Kilometer zum Hanghuhn. Das bekommt dem linken Fuß und Knie garnicht und die
neuen Räder sind auch hin.
Zwischendurch gibt es aber einen Abschnitt, den der gemeine Rollskiläufer sehnsüchtig erwartet.
Kurz hinter Voujärvi wird die Rovaniementie für fast 3 Km als Notlandebahn genutzt. Eine herrlich
breite und gut asphaltierte Spielwiese tut sich auf. Kein Auto weit und breit und das andere Ende ist
am Horizont.
   
Als ich im Winter hier war, musste man sich auf der Eispiste seine Fahrspur suchen.
Ich halte mich ziemlich weit links und genieße den Platz und die Stille.Viel zu schnell ist alles vorbei.
In Käyrämön Kaidas komm ich gegen 17 Uhr an. Ich gönne mir vor dem Einchecken erstmal einen
Kaffee und ein Sück Kuchen und lese die Lokalzeitung. Der Wetterbericht sieht nicht gut aus.
Nach dem üblichen Waschen der Sachen dreh ich am rechten Ski noch die Räder um, damit ich dann
morgen alle vier wieder gleichmäßig abfahren kann. Da morgen über 70 Km vor mir liegen, gibt es
zum Abendessen nur zwei Lapin Kulta und ich geh zeitig in die Koje.
 
 
Käyrämön Kaidas - Rovaniemi
Ca. 8 Uhr drehen die Räder wieder.
Nieselregen und 17°C machen die Sache nicht leichter aber es geht weite Teile der Strecke bergab.
Es rollt richtig gut und ich muss nicht viel tun.
Unterwegs bekomme ich heute ein Lektion, wie ich im „Finnischen Outback“ Wasser fassen kann.
Antti hat mir das fachmännisch erklärt. Auch er war von meiner Idee B2B begeistert aber, dass darauf
kein Finne gekommen ist... Er wünschte mir viel Glück und verschwand wieder im Wald.
Nach rund 42 Km vereinigt sich die Kemijärventie von links mit der Sodankyläntie und damit erhöht
sich ab hier das Fahrzeugaufkommen erheblich. Vor allem Autos mit russischen Kennzeichen. Ich hab
nun viel Gischt von vorn und verlasse häufig zur Sicherheit die Fahrbahn. Bisher konnte ich mich bei
den Finnen, die mir entgegen kamen darauf verlassen, dass sie zeitig auswichen.
Mit den Russen klappt das leider garnicht. Sie neigen bisweilen sogar dazu zu hupen und zu gestikulieren.
Ich kämpfe mich mühsam weiter vorwärts und erreiche nach gut 20 Km endlich Napapiiri beim
Weihnachtsmann. Diesmal mach ich aber nur das obligatorische Foto und halte mich nicht lange auf.
Bis ins Zentrum sind es noch gut 15 Km durch den Stadtverkehr. Ich kann zwar die Radwege nutzen
aber es geht zunächst so steil bergab, dass ich zu Fuß gehen muss und die Ampeln halten auch auf.
Es ist Feierabendverkehr und ich falle zum ersten Mal richtig auf. Ist ja auch die erste richtige Stadt
und auf Rollski mit Rucksack werd ich natürlich interessiert beäugt.
Aber hier begegnen mir auch einige Artgenossen beim Trainig. Die wiederum ignorieren mich.
Ich komme an der Skisprunganlage auf dem Ounasvaara vorbei und bin nach ca 75 Km endlich am
Guesthouse Borealis. Zu meiner Überraschung spricht Saila hervorragend Deutsch. Sie gibt mir Tipps
für den Abend und wo ich Essen gehen kann und checkt für mich nochmal telefonisch meine
Zimmerreservierung in Kemi. Wir schnattern eine Weile. Eine interessante Frau. Hat viel erlebt.
Weil mein rechtes Hinterrad heute Geräusche machte, bau ich es vor dem Abendessen zur Sicherheit
aus und tatsächlich ist ein Lager defekt. Getauscht und wieder zusammengebaut. Rollt sauber.
 
 
Rovaniemi - Rieskapaikka Oy
In Rovaniemi bin ich endgültig in der Zivilisation zurück.
Um die Stadt heute besser verlassen zu können, nehme ich den Vorortzug
und habe für den Rest der Strecke eine eigene Fahrbahn parallel zur Kemintie.
Sehr kompfortabel und trotz Gegenwind rollt es wie geschmiert.
Da die Gegend nun auch nicht mehr so viel zu bieten hat und ich nicht durchs Fotografieren aufgehalten werde,
sind die 50 Km schnell abgespult und ich erreiche Rieskapaikka Oy recht früh.
Das erlaubt es mir heute, dass ich mir beim Wäsche machen Zeit lassen kann. Einen Ausflug mit dem
Motorboot auf den Runkausjoki, der hier breit ist wie ein See, muss ich leider abbrechen. Als ich aus
dem Lee der Bäume am Ufer auf den Fluss komme, wird es mir zu kalt. Es ist zwar herrlich sonnig
aber mit 5°C im Wind recht frisch und dafür hab ich einfach keine Sachen dabei. Schade, aber eine
Erkältung auf der letzten Etappe morgen wär echt doof.
 
 
Rieskapaikka Oy - Kemi
Gut ausgeruht und verpflegt mach ich mich sehr zeitig auf den Weg nach Kemi.
Das fühlt sich schon an, wie Heimwärtsfahren.
Das Wetter meint es gut mit mir und der frische Wind aus Norden schiebt mich hurtig über die Nelostie
und die Jäärementie und ich gönne mir eine Pause mit Nahrungsaufnahme.
Am frühen Nachmittag ist die Ostsee in Kemi nach ca. 70 Km erreicht und meine Reise zu Ende.
Keine Panne, kein Unfall, nur ein kleiner Schnitt mit der Tasse in den Finger.
Die Füße und die Hände werden sich erholen.
Ungern mach ich mich auf den Weg zum Merihovi. Im Kopf überschlage ich kurz die Entfernung nach
Helsinki. Nur so halt und ich denke an Ellen MacArthur und Bernard Moitessier.
 
 
Die Heimreise erfolgte von Kemi über Helsinki und Berlin wieder nach Baden-Baden mit dem Flieger.